Topic: 2009-10-26 Rebell
Trackback: Respektlos
Der eine oder andere weiß, daß ich dem Thema des Kopierens sehr kritisch gegenüber stehe. Und jedesmal, wenn ich hier was schreibe, gibts immer wieder Kommentare “Wenn es billiger wäre, würde ich es kaufen”, “Ich teste die Programme so und kauf dann die, die gut sind” und “Es entsteht doch gar kein Schaden, wenn ich das kopiere”.
Ein Entwickler eines Iphone-Spiels hat sich in der ersten Woche des Releases angeschaut, wieviele Leute das Spiel in einer raubkopierten Version benutzen. Und ich benutze jetzt in voller Absicht das Wort “raub”, was manchem ach so edlen Daten-Befreier immer wieder aufstößt. Bei Tap Fu kommen in der ersten Woche mehr als fünf Kopien auf ein Original. Die obersten Plätze der Highscore-Liste belegen Kopierer. Und kein einziger, der die Kopie benutzt hat, hat danach das Original gekauft. Alles nachzulesen hier.
Und damit sind diese drei bescheuerten Argumente endlich mal empirisch wiederlegt. Es handelt sich um ein preiswertes Spiel (unter vier Euro) – trotzdem wird kopiert. Leute probieren es lange aus – und kaufen trotzdem nicht das Original. Intensiv-Nutzer des Programms sind in der Regel Kopierer – und da sage mal einer, es sei kein Schaden entstanden wenn gerade die, die das Programm am meisten nutzen, es klauen.
Insgeheim hatte ich ja gehofft, daß bei der Statistik wenigstens ein paar positive Signale zu finden sind. Aber das Bild der Highscore-Liste, in der Highscores von Raubkopien rot eingefärbt wurden, hat mir jeglichen Respekt vor den Leuten genommen, die gebetsmühlenhaft diese drei Argumente runterbeten. Es sind drei Lügen. Wer kopieren kann, kopiert und schaut nie mehr zurück.
Vielleicht sollte ich doch die Branche wechseln.
Argument 1: “Wenn es billiger wäre, würde ich es kaufen”
Das ist sogar "empirisch" bewiesen.
Argument 2: “Ich teste die Programme so und kauf dann die, die gut sind”
Im Zweifelsfall ist das Programm immer schlecht. Totschlagargument.
Argument 3: “Es entsteht doch gar kein Schaden, wenn ich das kopiere”
Nun, welcher Schaden entsteht? Schwer abzuschätzen. Herr Schneider-Johne fährt hoffentlich nicht zur Arbeit. Der Schaden, der dabei entsteht... nicht abzuschätzen. CO<sub>2</sub>-Ausstoß, Gefahr für die Allgemeinheit, ...
Und seine Beispiele aus der Rubrik "Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich.", wie den nicht-bezahlten Handwerker: der Kugelblitz lässt seine <del>Glühbirnen</del><ins>Energiesparlampen</ins> selbstverständlich nur von einem Elektriker auswechseln. Nicht, dass er hier die handwerkliche Tätigkeit für lau kopiert.
Wenn er sich einen BMW Z4 in die Garage zaubern könnte, würde er natürlich trotzdem zum Autohändler gehen und brav dafür bezahlen. Ohne Probefahrt... ach, es gibt Demos? Ja, aber was sagt die Fahrt in einem Mini schon groß aus? Eben.
Was mich bei der Statistik (immerhin Stufe 3 der Lügen) interessieren würde: warum wurde nur die erste Woche betrachtet? Sind in der zweiten Woche bereits Kopierer konvertiert? (Wie will man das feststellen?) Was sagt sie überhaupt aus? Gegen welches Argument ist sie zu verwenden?
Argument 1? Nein, denn wahrscheinlich sind 4 Euro weit über dem why not-Level.
Argument 2? Nein. (Weitere Ausführungen kann ich mir sparen.)
Argument 3? Nein, es wurde nicht aufgezeigt, welcher Schaden entstanden ist.
Was "empirisch widerlegt" bedeutet, sollte Herr Schneider-Johne auch noch einmal nachschauen. Es genügt nicht, ein Beispiel gefunden zu haben. Andersherum genügt es aber ein Gegenbeispiel zu finden.
Wer kopieren kann, kopiert und schaut nie mehr zurück.
"Jeder, der verallgemeinert, ist doof." Ich kann kopieren. Punkt.
Es gibt übrigens mehr Leute als nur "Kopierer" und "Nicht-Kopierer".
Wenn ich es in grobe Kategorien einteilen müsste:
Fangen wir beim treu-dämlichen Käufer an: er kauft ein Produkt, egal was es kostet und wie es ist.
Dann kommt der ich-lass-mich-nicht-verarschen Käufer, der ein Produkt auch mal im Regal stehen lässt. Insbesondere dann, wenn er sich zu sehr beschnitten sieht. Dieser fällt dann manchmal auch in die Kategorie "ich-zieh-mir-einen-nocd-Patch-für-mein-legal-erworbenes-Produkt".
Natürlich gibt es den exzessiven Kopierer: er kopiert, egal was. So lange es geht, alles prima.
Zuletzt gibt es den ich-teste-mal Kopierer: er kopiert was ihn interessiert und kauft (ja, tatsächlich), wenn er überzeugt ist.
Nehmen wir an, wir leben in einer idealen Welt und es gäbe den perfekten Kopierschutz.
Gruppe 1 würde wie gewohnt kaufen.
Gruppe 2 würde teilweise ausfallen. (Nein, es gibt keinen Kopierschutz, bei dem sich diese Gruppe nicht auf den Schlips getreten fühlt.)
Gruppe 3 hat sowieso noch nie etwas beigetragen.
Gruppe 4 würde komplett ausfallen.
Nehmen wir an, unser Produkt hat keinen Kopierschutz.
Gruppe 1 würde wie gewohnt kaufen.
Gruppe 2 würde kaufen, wenn das Produkt sie anspricht. Eventuell sogar einige Leute, (nur) um das zu unterstützen. (Vernachlässigbar wenige, aber größer als Null.)
Gruppe 3 hat sowieso noch nie etwas beigetragen.
Gruppe 4 hat eine Konversionsrate größer Null. (Beliebig klein, aber größer Null.)
Was ist jetzt besser?
Falls ich noch vor Boris "Kugelblitz" Schneider-Johne Respekt gehabt haben sollte, hat ihn mir dieser Beitrag genommen.
Gibt es Vorschläge in welche Branche er wechseln sollte?
Ich nenn' es Freiheit - ihr nennt es Mangel an Respekt
Die Ärzte - Rebell
- Igor, Persona 4