“Roland Austinat hält dieses Mal eine Philippika gegen den PC als Plattform für Spiele — wie sie nur jemand halten kann, dem PC-Spiele einmal sehr am Herzen lagen, der aber zuletzt schwer von ihnen enttäuscht wurde. Roland sagt rigoros: “Die Tage des PC-Spiels sind gezählt!”
(…)
“Diese schlimme Behauptung belege ich gerne anhand einiger Indizien.
1. PC Gaming Allianz
Indiz Nummer 1: Die schlafmützige PC Gaming Alliance, der vor gut eineinhalb Jahren mit großem Tamtam gegründete Verband der PC-Spiele-Industrie. 2008 veröffentlichte die Allianz ganze zwei Pressemitteilungen — eine davon anlässlich ihrer eigenen Gründung. In diesem Jahr waren es dagegen schon sagenhafte drei. Vergleicht das mal mit der Fülle von Ankündigungen und Informationen, die etwa große Konsolenhersteller wie Microsoft, Nintendo und Sony im Wochentakt in die Menge werfen. Klar, die PC Gaming Alliance ist kein direkter Hersteller, doch dennoch dürfte man sich von der größten Lobbygruppe für PC-Spiele mehr erwarten.
2. Spielemagazine
Indiz Nummer 2: In den USA, einem Land mit etwa 300 Millionen Einwohnern, existiert noch genau ein PC-Spielemagazin. Und das ist noch nicht mal besonders gut, vor allem, seit die Kollegen vor ein paar Ausgaben alle Kolumnisten aus dem Heft geworfen haben. Finde ich persönlich sehr schade, denn erfahrene Autoren, die schon seit Jahren bis Jahrzehnten das Spielgeschehen kommentieren und dabei auch mal von der Meinung des Heftes abweichen, sind für mich unbezahlbar. Nicht ohne Grund lest Ihr auf GamersGlobal ja auch gerade diese und die Zeilen meiner geschätzten Kollegen Anatol, Jörg und Mick.
3. Hardware-Tohuwabohu
Indiz Nummer 3: Zu viele Hardwarekombinationen machen den PC zur unbequemen Entwicklungsplattform. Wenn ein Studio ein Spiel für PlayStation 3 oder Xbox 360 entwickelt, muss es sich nur auf jeweils exakt eine CPU-Umgebung und ein Grafiksystem konzentrieren. Klar, die Festplatten mögen unterschiedlich groß sein, doch das ist lange nicht so wild wie die Dutzende, nein, Hunderte von Grafikkarten, CPUs, RAM-Bausteine und Mainboards, die in einem PC stecken können, und die Millionen von Kombinationen erlauben. Nicht von ungefähr betreibt Nvidia in Russland ein Teststudio, das die Werke von PC-Spielentwicklern auf einer Vielzahl gängiger und exotischer PC-Konfigurationen ausprobiert. Was ich damit sagen will: Wer nicht riskieren möchte, dass sein PC-Meisterwerk nur auf zehn Prozent aller Systeme toll aussieht und er damit die Besitzer der restlichen 90 Prozent gegen sich aufbringt… der wechselt stattdessen lieber gleich zu einer Spielkonsole. Oder wie viele Spiele kennt Ihr, die sich durch ihre bombastische DirectX-10-Grafik hervortun? Eben. Und wie lange ist DirectX 10 schon auf dem Markt? Seit Januar 2007. Absurd, dass DirectX 11 da bereits für Ende dieses Jahres geplant ist.
4. Spieleläden
Indiz Nummer 4: Spieleläden in den USA. PC-Titel hatten es hier schon immer etwas schwerer — um die neuesten Veröffentlichungen zu finden, musste ich meist in den hinteren Teil von Electronic Boutique, GameStop und Co. suchen. Doch in letzter Zeit finde ich PC-Spiele meist nur noch auf einem verschämt in der Ecke stehenden Aufsteller, umzingelt von wandhohen Regalen mit Konsolenspielen. Das könnte entweder bedeuten, dass kein Mensch mehr PC-Spiele kauft. Oder dass man sie nur noch online über Vertriebswege wie Valves Steam-Dienst bezieht. Oder sie schlicht und ergreifend raubkopiert. Das könnte aber auch oder insbesondere bedeuten, dass das Interesse an PC-Spielen immer mehr zurückgeht, während das an Konsolentiteln kontinuierlich steigt.
5. E3 2009
Indiz Nummer 5: Die Electronic Entertainment Expo. Genau, die E3, die gerade erst wieder einmal in Los Angeles abgehaltene Spiele-Supermesse. Wie viele PC-Top-Titel wurden dort gezeigt, die nicht auch für Xbox 360, PlayStation 3 oder Wii erscheinen? Das fragte ich in der E3-Woche so ziemlich jeden Pressekollegen. Doch außer einer Bedenkpause mit anschließendem Schulterzucken war da nichts zu holen. Schließlich blieb Blizzard der Messe auch in diesem Jahr fern, um noch Pulver für die BlizzCon im August zu haben. Und klar, es gab eine Handvoll chinesische Rollenspiele und osteuropäische Strategietitel. Aber in den amerikanischen oder auch deutschen Verkaufshitparaden sehe ich die nicht unbedingt. Die Sims, gut, die sind ein Phänomen für sich — und inzwischen, in abgespeckter Form, auch auf anderen Plattformen zuhause.
Mein Plädoyer
Verstehen wir uns nicht falsch: Ich bin kein PC-Hasser. Ich habe vor knapp 20 Jahren The Secret of Monkey Island auf einem 386 mit PC-Piepser durchgespielt und dann noch einmal mit der für damals 300 D-Mark erworbenen Soundblaster-Karte.
Ich kaufe mir rund alle zwei Jahre einen fast komplett neuen PC, um die neuesten Spiele flüssig spielen zu können. Doch bei mir stehen auch alle aktuellen Konsolen unter dem Fernseher — und es gibt außer einigen Online-Titeln immer weniger, was mich an den PC locken würde. Ganz davon abgesehen, dass der Upgrade-Zyklus von Spielkonsolen heutzutage deutlich geruhsamer als auf dem PC verläuft. PC-Spieler leisten sich hingegen im Schnitt alle zwei Jahre eine Grafikkarte, für die man je nachdem eine Xbox 360 oder eine PS3 kaufen könnte, von anderen Updates bei RAM oder CPU ganz zu schweigen! Für das gesparte Geld könnte man eine Menge Originale kaufen. Oder einfach mal Urlaub machen.
Entwicklerseitig regiert einfach zu große Angst davor, die PC-Investitionen nicht wieder einzuspielen. Das betonte sehr treffend der Rollenspiel-Veteran Feargus Urquhart, Chef des unabhängigen Studios Obsidian Entertainment in einem Gespräch mit der Webseite Gamebanshee.com: “Es herrschen harte Zeiten für PC-Projekte mit großem Budget. Dafür gibt es einfach nicht genug Investoren, und es ist kaum zu rechtfertigen, dass man als Entwicklungsstudio sein eigenes Geld dafür ausgeben soll — ohne zu wissen, ob man es jemals wieder hereinholen wird.”
Und das, obwohl für PC-Spiele keine Tantiemen an Plattformbesitzer wie Microsoft, Nintendo und Sony fällig werden. Wie ich schon sagte: Die Tage des Spiele-PCs sind gezählt.
Euer Roland Austinat
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